Philosophisches + Gedichte

mit 20 meiner digitalen Foto-Abstraktionen 
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Alle Werke unterliegen meinem Copyright. 






Stufen

wie jede Blüte welkt
und jede Jugend dem Alter weicht,
blüht jede Lebensstufe,
blüht jede Weisheit auch
und jede Tugend zu ihrer Zeit
und darf nicht ewig dauern

es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in andre, neue Bindungen zu geben

und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft zu leben

wir wollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
er will Stuf' um Stuf' uns heben, weiten

kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise
mag lähmender Gewöhnung sich entraffen

es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Räumen jung entgegensenden,
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,
wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde.

(Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel)




 

Wer ich bin?

Ich bin nicht unverschämt,
nur weil ich sage, was ich denke.

Ich bin nicht eingebildet,
nur weil ich meine Ansichten habe.

Ich bin nicht intolerant,
nur weil ich kein Fähnchen im Wind bin.

Ich bin nicht egoistisch,
wenn ich auch auf mich Rücksicht nehme.

Ich bin nicht arrogant,
wenn ich bestimmte Menschen nicht mag.

Ich bin nicht eingebildet,
weil ich mich so mag, wie ich bin.

Ich bin nicht vorlaut,
wenn ich mir nicht immer alles gefallen lasse.

Ich bin kein kleines Kind,
wenn ich manchmal noch gerne albern bin.

Ich bin nicht schlecht erzogen,
nur weil ich manchmal laut werde.

Ich bin nicht verrückt,
wenn ich mein eigenes Leben lebe.

Ich bin nicht verschlossen,
wenn ich nicht jedem alles erzähle.

Ich bin nichts besonderes,
aber dennoch einzigartig.

Und Ihr meint, Ihr kennt mich wirklich?

 

 



Geduld  

Die eigene, stille, ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann,
alles ist ausgetragen – und dann Gebären…
 
Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer kommen könnte.

Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind,
als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,
so sorglos, still und weit.


Man muss Geduld haben
gegen das Ungelöste im Herzen
und versuchen, die Fragen selbst lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben und wie Bücher,
die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.
 
Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt,
lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages in die Antwort hinein.
  
(Rainer Maria Rilke)






Ich bin nicht ich.

Ich bin jener, der an meiner Seite geht,
ohne dass ich ihn erblicke,
den ich oft besuche
und den ich oft vergesse.
 
Jener, der ruhig schweigt,
wenn ich spreche,
der sanftmütig verzeiht,
wenn ich streite,
der umherschweift,
wo ich nicht bin,

 
der aufrecht bleiben wird,
wenn ich sterbe.






Wenn jemand sucht, dann geschieht es leicht,
dass sein Auge nur noch das Ding sieht,
das er sucht, dass er nichts zu finden,
nichts in sich einzulassen vermag,
weil er nur an das Gesuchte denkt,
weil er ein Ziel hat,
weil er vom Ziel besessen ist.

Finden aber heißt:

frei sein,
offen stehen,
kein Ziel haben.


(Hermann Hesse)





Nicht steht mir zu,
über eines andern Leben zu urteilen!

Für mich allein
muss ich urteilen,
muss ich wählen,
muss ich ablehnen.


 




Die innere Stimme...

Vertraue Deiner Intuition, nicht Deinem Verstand,
wenn es um ganz persönliche Entscheidungen geht.
Denn Deine Intuition ist so einzigartig
wie Deine Seele.
Sie ist Deine innere Führerin, die am besten weiß,
was für Dich gut und schlecht ist,
woran Du festhalten und was Du aufgeben solltest.

Die Stimme Deiner Intuition hörst Du nicht im
Alltagslärm, denn sie ist von Natur aus leise.
Darum ziehe Dich von dem Stress, der Hektik und
dem Getöse zurück - an einen ruhigen Ort,
wo Du Dich entspannen und zu Dir finden kannst.

Wo es so still in Dir wird,
dass Du Deine innere Stimme hören kannst.
Und zweifle nie an dem, was sie Dir sagt -
sonst zweifelst Du an Dir selbst!






Wasser gibt nach, aber erobert alles.
Wasser löscht Feuer aus oder,
wenn es geschlagen zu werden droht,
flieht es als Dampf und formt sich neu.

Wasser spült weiche Erde fort oder,
wenn es auf Felsen trifft,
sucht es einen Weg, sie zu umgehen.
Es befeuchtet die Atmosphäre,
so dass der Wind zur Ruhe kommt.

Wasser gibt Hindernissen nach,
doch seine Demut täuscht,
denn keine Macht kann verhindern,
dass es seinem Lauf zum Meer folgt.

Wasser erobert durch Nachgeben;
es greift nie an,
aber gewinnt immer die letzte Schlacht!






Geborgen

Ich hab seinen Flügel gespürt,
der mich behutsam umfängt
und meine Schritte so lenkt,
dass mir nichts Böses passiert.

Ganz plötzlich ist er jetzt fort.
Ich kämpfe allein gegen Wind.
Wo seine Flügel jetzt sind?
Wer zeigt mir den magischen Ort?

Vielleicht war es ja Illusion,
wen kümmert mein Leben schon,
verlassen leb' weiter ich fort.

Im Traum habe ich ihn gespürt,
sehr stark hat mein Herz er berührt.
Voll Hoffnung ist wieder mein Ort. 


 (Regina Hesse)

 

 

 
 
In der Jugend drängen wir zum Glück
und vermeinen,
einstweilen nur Unglück zu spüren.

Dann schließen wir Frieden
mit unserem Unglück,
halten es mitunter sogar für Glück.


Bis uns im Alter die Augen aufgehen,
dass es weder das eine
noch das andere gibt.


Nur das Leben,
dieses einzige, das wir haben.
 





Herbst

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

(Rainer Maria Rilke) 

 




Frühling

Die linden Lüfte sind erwacht,
sie säuseln und weben Tag und Nacht,
sie schaffen an allen Enden.

O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muss sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
man weiß nicht, was noch werden mag,
das Blühen will nicht enden.

Es blüht das fernste, tiefste Tal;
nun, armes Herz, vergiss der Qual!
Nun muss sich alles, alles wenden
.
 

(Ludwig Uhland)

 



 

Woran du denkst,
das wirst du sein.

Wonach du strebst,
das wirst du werden.

Woran du glaubst,
das wirst du erben.


 

 


Das Erhabene wie das Schöne
ist durch die ganze Natur
verschwenderisch ausgegossen,
und die Empfindungsfähigkeit für beides
ist in alle Menschen gelegt;

aber der Keim dazu
entwickelt sich ungleich,
und durch die Kunst
muss ihm nachgeholfen werden.


(Schiller)






Wer über diese Welt hinaussieht
und sich der andern bewusst ist,
der vergilt nicht Böses mit Bösem,
und trotzt nicht;

aber er fürchtet auch nicht
und erschrickt nicht. 


(Matthias Claudius)


          




Noch seh’ ich nicht den Schatten,
der hinter so viel Licht
müsst wohl verborgen sein.

Obwohl gewarnt von tausend Stimmen,
fühl’ ich mich gut.

Was kümmern mich Gedanken an ein Morgen.
Ich lebe und liebe JETZT!

 




Wer "nicht in die Welt passt",
der ist immer nahe daran,
sich selber zu finden.


(Hermann Hesse, Demian)





Solange du nach dem Glücke jagst,
bist du nicht reif zum Glücklichsein,
und wäre alles Liebste dein.

Solange du um verlorenes klagst
und Ziele hast und rastlos bist,
weißt du noch nicht,
was Friede ist.

Erst wenn du jedem Wunsch entsagst,
nicht Ziel mehr noch Begehren kennst,
das Glück nicht mehr mit Namen nennst.
Dann reicht dir des Geschehens Flut
nicht mehr ans Herz,
und deine Seele ruht.


(Hermann Hesse)

 


 

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
kein Baum sieht den anderen,
jeder ist allein.

Voll von Freuden war mir die Welt,
als noch mein Leben Licht war,
nun, da der Nebel fällt,
ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
der nicht das Dunkle kennt,
das unentrinnbar und leise,
von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist einsam sein,
kein Mensch kennt den anderen,
jeder ist allein


(Hermann Hesse)



 

Und solang du das nicht hast,
dieses: stirb und werde!

Bist du nur ein trüber Gast
auf der dunklen Erde.

(Goethe)

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